(04.08.2015)
Der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, hat - ein Jahr nach dem Eisenbahnunfall von Mannheim - das mangelnde Interesse der politisch Verantwortlichen kritisiert, mit klaren Regelungen die hohen Sicherheitsstandards im Eisenbahnbereich aufrechtzuerhalten. So würden beispielsweise Fahr- und Ruhezeiten im Schienengüterverkehr so gut wie gar nicht kontrolliert, zudem sei weiterhin unklar, welche Behörde für diese Kontrollen überhaupt zuständig sei.
Nach Informationen, die der EVG vorliegen, hatte der Lokführer des unfallverursachenden Güterzuges die vorgeschriebene Mindestruhezeit von 9 Stunden nicht eingehalten. "Wir bewerten diesen Unfall nicht, das ist Sache der Staatsanwaltschaft - aber wir weisen deutlich auf Mängel hin, die problemlos abgestellt werden könnten", machte Kirchner deutlich.
So fordere die EVG schon seit langem mit Nachdruck den Einbau von Fahrtenschreibern auch auf Lokomotiven. "Wie lang ein Lokführer unterwegs war, wann und wie lange er Pausen macht, wird nirgendwo erfasst", kritisierte Kirchner. Hier sei dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Recherchen von "mobifair", die sich unter anderem für die Förderung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung einsetzten, würden immer wieder deutliche Verstöße gegen geltende Arbeitszeitbestimmungen nachweisen - ohne dass dies Folgen hätte. Die eigentlich verantwortlichen Gewerbeaufsichtsämter fühlen sich nicht zuständig oder könnten, aufgrund fehlenden Personals, nicht tätig werden. "Es besteht dringender Handlungsbedarf" so Kirchner.
Neben der Erfassung der Fahr- und Ruhezeiten forderte der EVG-Vorsitzende auch eine einheitliche Ausbildung der Lokführer. "Dass einzelne Eisenbahnverkehrsunternehmen die Ausbildungszeiten willkürlich festlegen können ist ein Unding", kritisierte er. Die EVG fordere eine Ausbildung von mindesten zwölf Monaten. Zudem müssten die Prüfungen von unabhängigen Prüfern vorgenommen werden. "Es kann nicht sein, dass das Unternehmen, das Lokführer ausbildet auch die Prüfung abnimmt", so Kirchner.
Auch der zunehmende Einsatz von Leihlokführer ist aus Sicht der EVG nicht unproblematisch. Der Lokführer des unfallverursachenden Güterzuges in Mannheim sei Mitarbeiter eines Personaldienstleisters gewesen. "Diese Entwicklung, dass immer mehr Leiharbeiter und Selbstständige als Lokführer eingesetzt werden, ist aus unserer Sicht fatal", machte Kirchner deutlich. Hier werde Lohn- und Sozialdumping Vorschub geleistet, was aus Sicht der EVG die völlig falsch Entwicklung sei. Der Wettbewerbsdruck sei mittlerweile so groß, das zwischenzeitlich selbst Unternehmen wie DB SchenkerRail nicht mehr ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern arbeiten würden.
Die Konkurrenz wird immer größer. Mittlerweile würden in Deutschland 170 private Eisenbahnverkehrsunternehmen Transportleistungen anbieten. "Damit der Verkehrsträger Schiene auch weiterhin so sicher bleibt, wie er ist, brauchen wir mehr Kontrollen und verbindliche Regelungen, damit die schwarzen Schafe die offensichtlichen Lücken im System nicht für sich nutzen", so Kirchner. "Wir sind nicht gegen Wettbewerb, aber die Politik, die diesen Wettbewerb fordert, muss auch die richtigen Rahmenbedingungen setzen, um Wildwuchs zu verhindern. Im Augenblick tut sie dies nicht. Und das kritisieren wir, weil die Folgen fatal sein können", so der Vorsitzende der EVG, Alexander Kirchner.