(13.04.2016)
Der Trend im Jahr 2015 ging deutlich nach oben, aber die S-Bahn ist noch nicht so pünktlich wie im Vertrag zwischen Verband Region Stuttgart und der DB Regio AG vereinbart. Unterm Strich erhält der Verband Region Stuttgart fast 2,5 Millionen Euro an Strafzahlungen für Verspätungen (230.000 Euro) und für ausgefallene S-Bahn-Züge (2,214 Millionen Euro). Der Verkehrsausschuss lehnte den Vorschlag der Verwaltung allerdings ab, das Geld zu reinvestieren, um die Signalabstände zwischen den Haltestellen Schwabstraße und Stuttgart-Vaihingen zu verkleinern. Das sei ein guter Ansatz, denn die Leistungsfähigkeit der Strecke werde erhöht, weil S-Bahn-Züge dichter hintereinander fahren können. Doch Investitionen in Infrastruktur seien nicht Aufgabe des Verbands Region Stuttgart, so die einhellige Auffassung der Regionalpolitiker. Wie die Strafzahlungen nun verwendet werden sollen, wird noch geklärt.
Beim so genannten vierten „S-Bahn-Gipfel“ waren heute im Verkehrsausschuss erneut Vertreter aller DB-Töchter sowie des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart GmbH (VVS) anwesend. Sie gaben einen Gesamtüberblick über Pünktlichkeit, Störungsursachen und deren Behebung. Um es vorweg zu nehmen: Die mit vereinten Kräften angestoßenen Verbesserungen greifen. Klar war immer, dass es nicht „die eine Maßnahme“ gibt, mit der „unsere S-Bahn wieder pünktlich wird und dass die Wirkung der umgesetzten Maßnahmen mittel- und langfristig zu bewerten ist“, schickte Regionaldirektorin Dr. Nicola Schelling vorweg.
Maßnahmen greifen
Sowohl in der Hauptverkehrszeit als auch in der Nebenverkehrszeit waren die
S-Bahnen 2015 pünktlicher unterwegs. In der Rushhour erreichten 80,8 Prozent der Züge ihre Ziele mit einer Toleranz von bis zu drei Minuten (75,2 Prozent im Jahr 2014). Doch bis zum Zielwert von 91,5 Prozent ist noch deutlich Luft nach oben. „In unserer Königsdisziplin haben wir uns um über fünf Prozentpunkte verbessert“, führte Dr. Dirk Rothenstein, Sprecher der Geschäftsleitung der S-Bahn Stuttgart aus. Die zahlreichen Maßnahmen, die in den letzten Jahren gemeinsam erarbeitet und umgesetzt wurden, greifen. „Doch wir sind noch nicht dort, wo wir hinwollen“. Der Start ins Jahr 2016 sei positiv verlaufen, so Dr. Rothenstein, aber die Rahmenbedingungen, zum Beispiel durch die Großbaustelle auf der Gäubahn, blieben schwierig. Auch das Volksfest bringe regelmäßig Einbrüche bei der Pünktlichkeit. Mehr Stabilität fürs System verspricht sich Dr. Rothenstein durch den Einsatz der zehn neuen S-Bahn-Fahrzeuge, unter anderem für überschlagene Wenden.
Dass die S-Bahnen im letzten Jahr pünktlicher waren, belegen die Zahlen. Doch die Fahrgäste geben der Pünktlichkeit eine 3,2 als Schulnote, also gerade noch befriedigend. Für Dr. Nicola Schelling ist das nicht verwunderlich, „denn bessere Noten können wir nur dann erwarten, wenn sich die Trendwende nachhaltig fortsetzt. Dazu gehört es auch, dass die in den vergangenen Jahren erneut gestiegenen Zugausfälle wieder reduziert werden.“
10,4 Millionen Zug-Kilometer pro Jahr
Insgesamt legen die S-Bahnen jährlich 10,4 Millionen Zug-Kilometer zurück. Die Zahl der ausgefallenen Züge durch Störungen ist 2015 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 50.000 Zug-Kilometer gestiegen auf insgesamt knapp 320.000 Zug-Kilometer. Berücksichtigt man die etwa 70.000 Zug-Kilometer, die wegen Baustellen ausfielen, sind alles in allem knapp 390.000 Zug-Kilometer gestrichen worden. Die Hälfte der tatsächlichen Zugausfälle geht aufs Konto der Lokführerstreiks.
Und was sind die Gründe dafür? Neben dem erwähnten Streik, sind Störungen der Infrastruktur (12 Prozent) zu nennen, also an Signalen und Weichen, sowie technische Probleme mit Fahrzeugen. Elf Prozent der Zugausfälle gehen auf „Dritte“ zurück. Dazu gehören Luftballons in der Oberleitung ebenso wie spielende Kinder in der Nähe von Gleisen, Unfälle oder Notarzteinsätze. Seit 2006 hätten die Ursachen durch Dritte um 276 Prozent zugelegt, so Dr. Rothenstein.
Frühwarnsystem gegen Störungen von Weichen
„Die DB Netz AG investiere mit durchschnittlich knapp 50 Millionen Euro jährlich weiterhin massiv in eine hohe Qualität im Bereich der S-Bahn Stuttgart“, sagte Christian Becker, Leiter Vertrieb und Fahrplan bei der DB Netz AG im Südwesten. In diesem und dem nächsten Jahr sei geplant, alle 620 Weichen im S-Bahn-Netz mit einer Art Frühwarnsystem auszustatten. „Diese Diagnostik hilft uns, Weichen pro aktiv instand zuhalten, also bevor es überhaupt zu einer Störung kommt“, sagte Becker. „Wir erhoffen uns davon einen erheblichen Qualitätssprung für die Verfügbarkeit der Weichen.“ Weitere Arbeitspakete, wie Fahrplanänderungen für mehr zeitliche Puffer bei der S-Bahn, aber auch bei Regionalzügen seien umgesetzt. Ab Herbst 2016 könnte das Gleis 8 im Hauptbahnhof wieder vollständig genutzt werden.
Noch schnelleres Ein- und Aussteigen
Weiterer Handlungsbedarf besteht auch bei einer besseren Fahrgastinformation, das geht aus den Fahrgastbefragungen für 2015 hervor. Während die Information im normalen Betrieb mit der Schulnote 2,6 bewertet wird, sinkt diese im Störungsfall auf 3,1. Michael Groh, Leiter des Regionalbereichs Südwest bei Station und Service, kündigte an, dass bis Ende 2016 auch an den letzten 15 der insgesamt 83 S-Bahn-Haltestellen zentrale Durchsagen aus dem Ansagezentrum Stuttgart vorgenommen werden können. Zusätzlich zu den Haltestellen Hauptbahnhof und Stadtmitte sollen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, die ein zentrales Öffnen und Schließen der Türen ermöglichen. Darüber hinaus sind im Hauptbahnhof (tief) weitere Info-Monitore geplant. Damit jeder weiß, wo die S-Bahn hält, werden die Markierungen für Kurz- und Vollzüge in der Tunnelstrecke zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße optimiert. Auch das hilft, das Aus- und Einsteigen zu beschleunigen.
Anschlusssicherheit
VVS-Geschäftsführer Horst Stammler berichtete von weiteren Verbesserungen, um die Anschlüsse zwischen der S-Bahn sowie Bussen oder regionalen Bahnen zu verbessern. Bereits bei der Planung von neuen Verkehren werde die Übergangszeit um fünf Minuten erhöht. Die Anschlussinformationen würden sowohl in den Bordcomputern der Busfahrer erscheinen als auch auf den Monitoren der S-Bahnen und perspektivisch auch der Busse im VVS-Gebiet. In einem Pilotprojekt werde eine Anschlusssicherung erprobt, indem Busfahrer aktuelle Wartezeitvorschriften erhalten.
Die Regionalpolitikerinnen und –politikern nahmen die Bilanz des letzten Jahres zur Kenntnis, stimmten aber keine Jubelarien an.
„Bis zum Erreichen der Zielwerte bei der Pünktlichkeit ist noch ein gutes Stück zu tun“, sagte Helmut Noë (CDU). Mit Nachdruck müsse der Verband Region Stuttgart die Forderung an die DB Netz AG formulieren, dass die Signalisierung im Bereich Schwabstraße – Stuttgart-Vaihingen realisiert wird, aber ohne Steuergelder.
Fritz Kuhn (Grüne) betonte, aus berechtigter Kritik an und Unzufriedenheit mit der
S-Bahn-Pünktlichkeit dürfe kein pauschales Schlechtreden werden. Ansätze für eine Trendwende bei der Pünktlichkeit erkenne er nicht. Dies könne erst in den nächsten Jahren beurteilt werden. Er formulierte die klare Erwartungshaltung an die DB Netz AG, dass die „Missstände“ bei der Infrastruktur beseitigt werden.
Defizite bei den neuen Fahrzeugen und im Netz, machte Harald Raß (SPD) als Verursacher der Störungen aus. „Ich habe den Eindruck, die vorausschauende Instandhaltung im Netz funktioniert nicht.“ Die Erwartung der Region an alle Töchter der DB sei klar, auch im Sinne der Fahrgäste. Schließlich fahre die DB Regio AG gute wirtschaftliche Ergebnisse in der Region ein.
Die jährlichen Präsentationen ähneln sich, sagte Bernhard Maier (Freie Wähler). „Dennoch haben wir eine Situation bei der S-Bahn, die nicht zufriedenstellend ist.“ Es müsse alles unternommen werden, um an der Verbesserung des Systems zu arbeiten“, appellierte er.
Von einer „Frage der Glaubwürdigkeit“ sprach Ingo Mörl (Linke/Piraten). Denn es sollten schließlich neue Fahrgäste für den ÖPNV gewonnen werden. „Wir sind noch lange nicht am Ziel.“
Gudrun Wilhelm (FDP) schloss sich den kritischen Anmerkungen an, lobte aber das bisherige Engagement.
Dr. Burkhard Korneffel (Innovative Politik) hält es für notwendig, dass Störungen durch Dritte abgestellt werden.