(24.01.2012)
Für die Unternehmungen der verladenden Wirtschaft, welche die Leistungsabhän-gige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) bezahlen und damit pro Jahr über 900 Mio. Franken an die Finanzierung der Schieneninfrastruktur leisten, ist die Leistungsvereinbarung Bund – SBB 2013 bis 2016 eine der wichtigen verkehrspolitischen Vorlagen. Der VAP Verband der verladenden Wirtschaft* hat deshalb im Rahmen der Anhörung der Kantone zu dieser Vorlage des Bundesrates ausführlich und grundsätzlich Stellung genommen. Der VAP wünscht einen Auftrag an SBB Cargo im flächendeckenden Güterverkehr, der eine Einigung zwischen Verladern und SBB Cargo beim Bedienkonzept und eine gemeinsame Senkung der Systemkosten voraussetzt. Der VAP plädiert längerfristig für die Zusammenlegung des Normalspurnetzes in eine eigenständige Gesellschaft ausserhalb von Eisenbahnverkehrsunternehmen gestützt auf die Ergebnisse der in der LV vorgesehenen Benchmarks zur Herstellung von Transparenz und zur Kostensenkung bei Betrieb, Erhaltung und Entwicklung der bestehenden Infrastruktur. Der VAP fordert überdies einen Integrator für das öV-System Schweiz, der selbst kein Transportunternehmen führt, eine Erhöhung der Trassenpreise für den im öV-System bevorzugten Personenverkehr und eine Öffnung von SBB-Cargo AG für Partner aus der Logistik.
Die Leistungsvereinbarung Bund – SBB ist für die Unternehmungen der verladenden Wirtschaft eine der wichtigsten verkehrspolitischen Vorlagen. Sie steht in engem Zusammenhang mit FABI und beeinflusst die anstehenden grundsätzlichen Fragen zu den Rahmenbedingungen des Eisenbahnverkehrsmarktes und des Bahngüterverkehrsmarktes im Besonderen. Der VAP Verband der verladenden Wirtschaft* vertritt als gesamtschweizerischer Branchenverband ca. 300 Unternehmungen der Schweiz, welche Güter per Bahn, Lastwagen, Schiffen, Pipeline sowie in allen Kombinationsformen transportieren und dazu erhebliche Investitionen tätigen. Die Unternehmungen der verladenden Wirtschaft sind die Auftraggeber der Transporteure (Eisenbahnverkehrsunternehmen, Speditionsfirmen, Strassenfuhrhalter usw.) und somit die eigentlichen Akteure im Güterverkehr und in der Verlagerungspolitik. Sie sind es, welche letztlich auch die damit verbundenen Kosten und Abgaben wie die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) bezahlen. Mit der LSVA (über 900 Mio. Franken pro Jahr) leistet die verladende Wirtschaft den grössten Teil an die Finanzierung zum Ausbau der Schieneninfrastruktur, erhält aber dafür die schlechteste Priorität auf dem Schienennetz und bezahlt die höchsten Trassenpreise.
Vor diesem Hintergrund hat der VAP im Rahmen der Anhörung der Kantone zur Leistungsvereinbarung Bund – SBB für die Jahre 2013 – 2016 ebenfalls Stellung genommen. In seiner Stellungnahme geht der VAP mit dem Bund einig, dass die verschiedenen Netzbetreiberinnen unterschiedlich erfolgreich wirtschaften. Infolgedessen sollte gemäss VAP die Zusammenlegung des Normalspurnetzes in eine eigenständige Gesellschaft ausserhalb von Eisenbahnverkehrsunternehmen gestützt auf die Ergebnisse der Benchmarks zur Herstellung von Transparenz und zur Kostensenkung bei Betrieb, Erhaltung und Entwicklung der bestehenden Infrastruktur geprüft werden. Der VAP erachtet grundsätzlich die baldige Aufteilung der SBB in rechtlich eigenständige Divisionen (z.B. SBB-Personenverkehrs AG, Infrastruktur-Netz AG analog der SBB Cargo AG) als zweckmässig. Sie schafft Transparenz, verhindert insbesondere Diskriminierungen beim freien Netzzugang und beseitigt Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Güter- wie im Personenverkehr.
Die im Entwurf des Bundesrates umschriebene Rolle der SBB sowie die gemäss Leistungsvereinbarung über das Netz der SBB hinausgehende bestellte Leistung sollten von einem separaten Dienstleistungsunternehmen (Integrator für das öV-System Schweiz), das nicht Teil des Verkehrsmarkts und Transportunternehmen ist, wahrgenommen werden. Der VAP ruft bei dieser Gelegenheit in Erinnerung, dass Bahngüterverkehr mangels Beförderungs- und Tarifpflicht kein öffentlicher Verkehr ist. Der entsprechende Textvorschlag in der Leistungsvereinbarung (Art. 12) bringt dies denn auch unmissverständlich zum Ausdruck, wird doch der Güterverkehr mit keinem Wort erwähnt. Dieser Mangel muss beseitigt werden, indem auch der Güterverkehr als Teil des Bahnsystems adäquat berücksichtigt wird.
Die Anhörungsvorlage berücksichtigt gemäss VAP einseitig die Bedürfnisse des Personenverkehrs. Insbesondere Art. 12 betreffend landesweite Abstimmung der Verkehre (Bahngüterverkehr und seine Kombinationsformen mit der Strasse gegenüber allen Ausprägungen des Personenverkehrs), integriertes Angebot und Förderung durchgehender Transportketten und kombinierte Mobilität sowie Kundeninformation widmen sich einzig den Bedürfnissen des Personenverkehrs und verhindern damit eine sinnvolle Integration des Bahngüterverkehrs in das Fahrplangefüge beziehungsweise die langfristige Entwicklungsplanung des Netzes im Verbundbetrieb. Auch die Kennzahlen zur Erhebung der Benchmarks befassen sich betreffend Verfügbarkeit und Qualität im Betrieb überwiegend mit Personenverkehr. Die Verlagerungen auf die Strasse infolge Streckensperrungen sowie die Verspätungen im Güterverkehr sollten ebenfalls erhoben werden.
Die Erhöhung der Trassenpreise per 1. Januar 2013 auch für den Güterverkehr erachtet der VAP in seiner Stellungnahme als hohes Risiko für den Bahngüterverkehr. Dieser steht im scharfen Wettbewerb mit dem Güterverkehr auf der Strasse. Signale aus der verladenden Wirtschaft lassen befürchten, dass wie in den 90er Jahren bereits jetzt wieder verstärkt in den Strassengüterverkehr investiert wird, mit entsprechenden Folgen auf die Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Strasse. Entsprechend der Bevorzugung des Personenverkehrs auf dem Netz sollten vielmehr die Trassenpreise des Personenverkehrs weiter erhöht werden, um fehlende Finanzmittel zu beschaffen.
Die in der LV vorgeschlagene Formulierung der strategischen Ausrichtung für SBB Cargo AG betrachtet der VAP als zu unverbindlich. Während die heute verbindliche LV ein Angebot entsprechend den Bedürfnissen der verladenden Wirtschaft als Ziel setzt, will der Bundesrat neu ein beliebiges Bahngüterverkehrsnetz im Import-, Export und Binnenverkehr anstreben, das mittelfristig eigenwirtschaftlich ist. Sollte der Bedarf – wohl der verladenden Wirtschaft – weiter gehen, wäre durch die SBB eine Entscheidgrundlage für erhöhte Abgeltungen vorzulegen. Der VAP erwartet aber, dass dem Verhältnis von Verlader und SBB Cargo AG in der LV weiterhin Rechnung getragen wird. Der VAP schlägt deshalb eine markt- und nachfragegerechtere Formulierung für die strategische Ausrichtung der SBB Cargo AG vor.
SBB Cargo AG soll ein mittelfristig eigenwirtschaftliches Bahngüterverkehrsnetz im Binnen- und Import-/Exportverkehr betreiben. Sollte sich das den Bedürfnissen der verladenden Wirtschaft entsprechende Netz als nicht eigenwirtschaftlich erweisen, so erarbeitet die SBB im Einvernehmen mit der verladenden Wirtschaft die Entscheidgrundlagen für eine Abgeltung der nicht eigenwirtschaftlichen Netzangebote auf der Basis einer verursachergerechten Kostenzuteilung und unter Ausschöpfung aller Kostensenkungsmöglichkeiten.
Eine allfällige Abgeltung soll aber gemäss VAP nicht über den zeitlichen Gültigkeitsbereich der LV hinausgehen und nur subsidiär Anwendung finden. Vielmehr sollen in erster Linie die ein eigenwirtschaftliches Netzangebot behindernden Wettbewerbsbedingungen wie Netzzugangspriorität, Netzkapazitäten und –ausbauten, Trassenpreis, Arbeitszeitgesetz usw. zugunsten des Bahngüterverkehrs korrigiert werden. Ganz besonderen Wert legt der VAP in seiner Stellungnahme auf den Bereich der Beteiligungen und Kooperationen. Hier erwartet der VAP strikt, dass sich SBB Cargo AG für Partner aus der Logistik öffnet. Der VAP begrüsst diese Freiheit, die sich bei SBB Cargo international AG zu bewähren scheint auch für SBB Cargo AG, da die Marktkenntnisse und Netzwerke professioneller Logistikanbieter die Erreichung des Postulats der Eigenwirtschaftlichkeit vereinfachten.
Die Ansiedlung der Netzplanungsprozesse bei der SBB als Wettbewerber im Transportgeschäft betrachtet der VAP als kritisch, weil nicht wettbewerbsneutral. Daran vermag auch die vom Bundesrat vorgeschriebene Einbeziehung der Wettbewerber in den Planungsprozess nichts zu ändern.
Die weiterhin anhaltende Tendenz, bestehende Infrastrukturanlagen sog. zu verschlanken, führt dazu, dass der Güterverkehr zunehmend weder genügende Abstell- noch Umfahrungsmöglichkeiten im Verbundbetrieb hat, so der VAP in seiner Stellungnahme. Die vom Bundesrat vorgesehene Überprüfung der notwendigen Zahl Rangierbahnhöfe durch die SBB kann vor dem Hintergrund des diskriminierungsfreien Netzzugangs nicht durch sie alleine erfolgen, sondern nur im Einvernehmen mit ihren Wettbewerbern im Transportgeschäft. Ebenso verhält es sich bei beabsichtigten Schliessungen sowie insbesondere beim Bau neuer Freiverladeanlagen.
Schliesslich weist der VAP darauf hin, dass Bau, Erneuerung und Rückbau von Anschlussweichen im Netz der SBB zunehmend zu Auseinandersetzungen zwischen SBB und Anschliesser bezüglich Wahl der Gleisbaufirmen und Höhe der Baukosten führen. Die SBB will sich weiterhin die Instandhaltung der Anschlussvorrichtung vorbehalten. Dieses Monopol führt aber gemäss VAP zu nicht wettbewerbsfähigen Konditionen. Er empfiehlt daher, dass die Anschlussvorrichtungen inskünftig nicht mehr Bestandteil des Anschlussgleises des Anschliessers bilden sollen, sondern zum öffentlichen Netz gehören. Die damit verbundenen Nettomehrkosten (nach Abzug der Mitbenützungsentschädigung seitens SBB) und unter Übertragung der Bundessubventionen für Bau- und Erneuerung von Anschlussgleisen zugunsten der SBB betragen für die Gültigkeitsdauer der LV rund 17,7 Mio. Franken. Auf diese Weise könnten vertrauensschädigende Auseinandersetzungen zwischen der SBB und den Anschliessern inskünftig entschärft werden.
Im Zusammenhang mit der Überprüfung des bedienten Anschlussgleisnetzes in der Schweiz durch SBB Cargo ist gemäss VAP auch die Frage nach der Kostentragung allfällig damit verbundener Rückbauten zu beantworten. Entsprechend dem im Anschlussgleisgesetz postulierten Verursacherprinzip hat die SBB diese Kosten – vorbehältlich einer Vorteilsabgeltung durch den Anschliesser - alleine zu tragen. Entsprechende Mittel sind ebenfalls in der LV 2013 – 2016 vorzusehen.
Schliesslich regt der VAP in seiner Stellungnahme an, die Kennzahlen sowohl im Bereich „Sicherheit" als auch „Verfügbarkeit und Qualität im Betrieb" um den Güterverkehr zu ergänzen. So sollten die Rangierunfälle im Bereich „Sicherheit" analog zu den Personenunfällen im Zugang zur Bahn erhoben werden. Überdies sollte auch über ausgefallene Güterzüge unter entsprechender Verlagerung auf die Strasse sowie Verspätungen im Güterverkehr berichtet werden.