(21.10.2014)
An der Generalversammlung der über 300 in- und ausländischen Unternehmungen der verladenden Wirtschaft, den eigentlichen Akteuren im Güterverkehr auf Schiene und Strasse, in Bern, stand die Befürchtung der Verlader im Mittelpunkt, dass die Verdrängung des Güterverkehrs von der Schiene weiter voranschreitet, der nachfragegerechte Ausbau der Infrastrukturen auf Schiene und Strasse zu spät kommt, die Notwendigkeit einer Gesamtschau Güterverkehr 2030 über alle Verkehrsträger als Ergänzung zur Güterverkehrsvorlage für die Eisenbahn nicht erkannt sowie die Bedeutung eines verursachergerechten Trassenpreissystems für den Güterverkehr im internationalen Wettbewerb unterschätzt werden.
„Im Kampf um Trassen und Prioritäten auf der Schiene herrscht die begründete Befürchtung, dass sich schliesslich der Personenfernverkehr, der regionale Personenverkehr und der Transitgüterverkehr gegen den Binnengüterverkehr und auch den Import-Exportverkehr durchsetzen werden". Mit diesen Ausführungen brachte Franz Steinegger in seiner Präsidialansprache eine grosse Sorge der anwesenden Vertretern aus der Logistikbranche, der gesamten Wirtschaft und der Politik auf den Punkt. Zwar werde auch in Bezug auf den Binnengüterverkehr viel von Verlagerung geredet, ohne aber die tatsächliche Entwicklung und die effektiven Rahmenbedingungen zu kennen.
Nachvollziehbar sei zwar, dass in der Botschaft kein Verlagerungsziel für die Fläche definiert worden ist. Die bisherige Erfahrung zeige aber, dass das Schweizer Schienennetz überstrapaziert und die SBB mit dem Personenfernverkehr sowie die Kantone mit dem regionalen Personenverkehr starke politische Kräfte seien. Die Einführung des Viertelstundentaktes im regionalen Personenverkehr im Rahmen von S-Bahnsystemen werde kaum an Trassenbestellungen für den Schienengüterverkehr scheitern, hielt Steinegger mit einer Spur Ironie fest.
Der Präsident des VAP vermutet, dass selbst die FABI-Vorlage dem Bedarf an Schienenkapazität für den Güterverkehr nicht nachkommen kann. Nachtfahr- und Sonntagsfahrverbote seien umweltbedingt und dienten der Nacht- und Sonntagsruhe. Solche Verbote könnten wir uns aber nur leisten, wenn wir den Güterverkehr in der verbleibenden Zeit auch tatsächlich abwickeln können, weil genügend Kapazitäten vorhanden sind. Steinegger wörtlich: „Ein nachhaltiges Ungenügen der Infrastruktur für den Güterverkehr wird geradewegs zu einem Ruf nach Aufhebung mindestens des Nachtfahrverbotes führen".
Infrastrukturausbau und Infrastrukturunterhalt auf Schiene und Strasse – so der VAP-Präsident – seien ein wirtschaftliches Muss. Der VAP-Präsident hob in seiner Präsidialansprache auch hervor, dass es eine Tatsache sei, dass der Wagenladungsverkehr auf der Schiene in der Fläche grössere Mengen transportiere als der kombinierte Verkehr. Die Komplexität des Schienengüterverkehrs verlange in einem gewissen Sinne eine monopolähnliche Position, allerdings in Konkurrenz zu anderen Transportformen auf der Schiene (kombinierter Verkehr) und Strasse. Bisher sei SBB Cargo die Verantwortung für das EWLV-System durch die Leistungsvereinbarung Bund/SBB übertragen worden. Nun wolle aber der Bundesrat die SBB im Rahmen der Revision des Gütertransportgesetzes nur noch mit einer Kann-Vorschrift an diese Kernaufgabe erinnern. Steinegger hofft, dass dies letztlich nicht zu einer gänzlichen Aufgabe des immer noch wichtigeren Wagenladungsverkehrs auf der Schiene führe.
Zu den wichtigsten Themen und Forderungen der Verlader zur Schaffung eines wettbewerbsfähigen, wirtschaftlichen und möglichst kosteneffizienten und nachfragegerechten Schienengüterverkehrs gehören
- Die Annahme der Totalrevision des Gütertransportgesetzes zur Förderung des Schienengüterverkehrs in der Fläche ohne Verlagerungsauftrag in Eigenwirtschaftlichkeit mit verbessertem Netzzugang für den Güterverkehr dank Netznutzungskonzept und Netznutzungsplänen.
- Ergänzend hierzu die Ausgliederung von SBB Cargo AG aus dem SBB Konzern in eine eigenständige Gesellschaft mit vollständiger unternehmerischer Freiheit zwecks erfolgreicher Zusammenarbeit mit der Logistikbranche in marktorientierter Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden.
- Schliesslich die Gleichbehandlung des wachsenden Wagenladungsverkehrs und des eher verhalten zunehmenden Kombinierten Verkehrs im Sinne der Co-Modalität im Güterverkehr auf Strasse und Schiene sowie die Einführung eines verursachergerechten Trassenpreissystems für den Schienengüterverkehr.
- Die Eindämmung der täglichen Verdrängung des Binnen-, Import- und Exportgüterverkehrs von der Schiene durch den Personenfernverkehr und den regionalen Personenverkehr.
- Der nachfragegerechte und rechtzeitige Ausbau der Infrastruktur auf Schiene und Strasse, sodass es auch in Zukunft noch einen Güterverkehr auf der Schiene gibt.
- Die Notwendigkeit einer Gesamtschau Güterverkehr 2030 über alle Verkehrsträger als dringend nötige Ergänzung zur Güterverkehrsvorlage für die Eisenbahn spätestens im Zuge der Vorlage NAF.
- Die Schaffung von privilegierten Fahrtenregimes und Ausbauten für den Güterverkehr im Bereich Citylogistik in den künftigen Agglomerationsprogrammen.
Die Mitglieder des VAP bestätigten sodann an ihrer Generalversammlung Präsident Franz Steinegger und den Vorstand für eine weitere Amtsdauer. Neu in den Vorstand ziehen ein Thomas Ernst, Die Schweizerische Post, Postlogistics, Bern; Mark Stevenson, AAE Ahaus Alstätter Eisenbahn AG, Baar sowie Irmtraut Tonndorf, HUPAC Intermodal SA, Chiasso.