(13.06.2016)
Nach dem rekordhohen Auftragseingang im Jahr 2014 hat Stadler im Jahr 2015 die Folgen der Aufhebung der Franken-Euro-Bindung zu spüren bekommen. Mit 2,1 Milliarden Schweizer Franken ist der Auftragseingang zwar tiefer als in den beiden Vorjahren – aber immer noch gut. Dem Unternehmen macht aber zu schaffen, dass die Margen auf den Aufträgen weggebrochen sind. Der erneute Frankenschock hat Stadler über 100 Millionen Schweizer Franken gekostet. Geld, das nun für Innovationen oder auch als Polster fehlt.
In den Jahren 2013 und 2014 verzeichnete der Schweizerische Zugbauer Stadler Auftragseingänge von 2,6 respektive 2,9 Milliarden Schweizer Franken. Diese Zahlen kann das Unternehmen dieses Jahr nicht ausweisen. Hauptgrund dafür sind Aufträge, deren Abschluss vom letzten in das laufenden Jahr verschoben wurde. Der verbleibende Auftragseingang von 2,1 Milliarden Schweizer Franken darf dennoch als gut bezeichnet werden. Das Budget lag bei 2,8 Milliarden Schweizer Franken.
Schwerwiegender sind aber die Auswirkungen der Wechselkursverwerfungen. Diese haben zu einem massiven Einbruch der Margen geführt. Das Unternehmen beziffert den Schaden, ausgelöst durch den zweiten Frankenschock, auf über 100 Millionen Schweizer Franken. „Dieses Geld fehlt uns für Investitionen, für Innovationen, aber auch als Polster für noch schlechtere Zeiten“, führt Peter Spuhler, Group CEO und Eigentümer, an der Jahresmedienkonferenz in Bussnang aus.
Gute Auslastung – ausser in Minsk
Grund zum Trübsal blasen, sieht Peter Spuhler aber keinen. Das Stadler-Team habe die Herausforderungen des vergangenen Jahres angepackt und mit viel Einsatz von jedem einzelnen gemeistert. Peter Spuhler: „Es ist schön zu sehen, wie viel Kraft in dieser Firma steckt.“ Die Auslastung der Standorte ist grossmehrheitlich gut. Einzig im Werk im Minsk herrsche als Folge der Erdöl- und Erdgaskrise und der damit verbundenen Rubelkrise Unterauslastung. Und auch Bussnang benötigt weitere Aufträge, um die Werke im Jahr 2017 füllen zu können.
Gewonnene Aufträge
Im März dieses Jahres hat Stadler im Konsortium mit AnsaldoSTS die Ausschreibung für 17 U-Bahnzüge für die SPT Glasgow Subway gewonnen. Das Rollmaterial von Stadler wird erstmals in einem führerlosen U-Bahnsystem unterwegs sein. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf rund 200 Millionen Pfund Sterling.
Für die S-Bahn Berlin liefert Stadler zusammen in einem Konsortium mit Siemens 106 Züge - der Rahmenvertrag wurde für insgesamt 1380 Wagen abgeschlossen. Das Auftragsvolumen für die 85 vierteiligen und 21 zweiteiligen Fahrzeuge beläuft sich auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag.
Der Doppelstöcker KISS hat in den vergangenen Monaten sehr guten Absatz gefunden. Fünf Doppelstöcker aus dem Aeroexpress-Auftrag konnten nach Aserbaidschan verkauft werden. Auch die Georgische Staatsbahn übernimmt vier dieser Doppelstöcker. Der bereits im letzten Jahr kommunizierte Vertrag mit Mälab ist endlich rechtsgültig. Der Rekurs von Bombardier wurde abgewiesen – Stadler kann 33 vierteilige Doppelstockzüge an die Schwedische Bahngesellschaft Mälab liefern. Das Gesamtvolumen der Bestellung beläuft sich auf 3,5 Milliarden Schwedische Kronen. Der Auftrag ist überdies mit einer Option auf 110 weitere Fahrzeuge verbunden.
Stadler wird in den nächsten Jahren weitere 42 Variobahnen an die Bochum-Gelsenkirchener Strassenbahnen Aktiengesellschaft (BOGESTRA) liefern. Unterzeichnet wurde der Vertrag am 21. August 2015 in Gelsenkirchen im Rahmen der jährlichen Hauptversammlung. Ausgeliefert werden die Bahnen in Rekordzeit in den Jahren 2016 bis 2020.
Im Frühjahr des vergangenen Jahres gewann Stadler einen Auftrag der Niederländischen Staatsbahnen NS für 58 FLIRTs. Die Auslieferung der Züge ist Ende 2016 bereits erfolgt. Damit hat Stadler einmal mehr ein einzigartig hohes Mass an Flexibilität bewiesen.
Einen hohen Bestellungseingang verzeichnet Stadler nach wie vor im Tailor-Made-Bereich: Dazu zählen unter anderem die Aufträge der Berner Oberland-Bahn BOB, der Corcovado-Bergbahn sowie der Auftrag von Rocky Mountaineer.
Auslieferungen 2016
Highlight unter den Auslieferungen war im vergangenen Jahr der Auftrag für PKP IC. Im Dezember konnte der letzte von 20 200 Meter langen FLIRTs ausgeliefert werden. Die Intercity-Fahrzeuge werden auf den Hauptlinien zwischen Warschau, Szczecin, Gdynia, Olsztyn, Katowice und Kraków eingesetzt. Der Vertrag mit PKP Intercity umfasst neben der Fahrzeuglieferung auch eine Verpflichtung für 15 Jahre technischen Unterhalt der Fahrzeuge.
Ein weiterer Höhepunkt war die Lieferung des 50. KISS DOSTO an die SBB. Die Serbische Staatsbahn ŽS hat bei Stadler 21 elektrische FLIRT für den S-Bahn-Verkehr in der Region Belgrad bestellt. Sämtliche dieser sehr umweltfreundlichen Züge konnten zwischen Herbst 2014 und Spätsommer 2015 im Zwei-Wochen-Takt ausgeliefert werden.
Neue strategische Ausrichtung
Aufgrund der Währungskrise in der Schweiz, aber auch wegen der Rubelkrise in den GUS-Staaten hat sich Stadler im vergangenen Jahr neu ausgerichtet und treibt diese Strategie im laufenden Jahr voran.
Im Zentrum steht dabei die breitere Abstützung durch den Eintritt in neue Märkte, neue Marktsegmente und die Lancierung neuer Produkte. Der Eintritt in neue Marktsegmente wie Highspeed, Metro und Lokomotiven ist mit dem Zuschlag des SBB-Auftrages für 29 Highspeed-Züge, welche durch die neue Gotthardröhre und damit einen der längsten Eisenbahntunnels der Welt fahren werden, bereits gelungen. Das Metro-Segment konnten wir bereits 2012 mit dem Auftrag aus Berlin erfolgreich lancieren.
Auch der Eintritt in neue Märkte ist zum Teil bereits vollzogen oder zumindest in vollem Gange: Mit dem Ausbau der Aktivitäten und der Gründung einer lokalen Fertigung in den USA sowie dem Neueintritt in UK und Australien treibt Stadler die strategische Neupositionierung voran.
Spanischer Neuzugang für Stadler
Das wohl bedeutendste Ereignis im vergangenen Jahr war die Übernahme des Lokomotiven-Geschäfts „Rail Vehicles“ in Valencia von Vossloh. Der spanische Lokomotiven-Hersteller beschäftigt in Valencia circa 850 Mitarbeiter – mit der Übernahme ist die Mitarbeiterzahl von Stadler auf knapp 7000 angestiegen und erstmals in der Geschichte von Stadler arbeiten mehr Mitarbeiter im Ausland als in der Schweiz. Stadler trat mit der Übernahme des Werks in Valencia in das neue Marktsegment der dieselelektrischen Lokomotiven ein und erschliesst neue Absatzmärkte im spanischen Sprachraum.
Das Unternehmen in Valencia entwickelt und produziert innovative dieselelektrische Lokomotiven, wie zum Beispiel die EURO 4000, Europas stärkste dieselelektrische Lok. Zudem werden in Valencia auch innovative Metrozüge, Strassenbahnen und Tram-Trains gebaut. Rail Vehicles hat sich auch in diesem Bereich zu einem starken Marktteilnehmer entwickelt. Im Geschäftsjahr 2014 hat Rail Vehicles Umsätze in der Höhe von 223,2 Mio. Euro erzielt, in den ersten neun Monaten 2015 betrug der Umsatz 182,4 Mio. Euro.
Die Integration des spanischen Werkes ist ausserordentlich gut verlaufen. Letzte Integrationsmassnahmen können noch diesen Monat abgeschlossen werden. Mit der Bestellung von drei Euro4000-Lokomotiven für VFLI und 25 Citylinks für die Deutsche Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) konnten bereits nach kurzer Zeit erste Aufträge aus dem neuen Stadler-Werk heraus gewonnen werden.
Stadler hat 2015 die Übernahme von Valencia zum Anlass genommen, seine Organisation leicht zu überarbeiten. Neu wurde die Division Spain eingeführt, welcher Iñigo Parra, der CEO von Valencia, vorsteht. Trotz der zunehmenden Internationalität von Stadler hat sich Group-CEO Peter Spuhler entschieden, die Konzernsprache bei Deutsch zu belassen.
Giruno nimmt Gestalt an
Das begonnene Jahr steht ganz im Zeichen des Produktionsstarts für den Hochgeschwindigkeitszug Giruno/EC250 für die SBB. Der Start der Kastenfertigung ist bereits erfolgt und an der InnoTrans in Berlin werden Stadler und die SBB gemeinsam das erste Modell des neuen Hochgeschwindigkeitszuges präsentieren können. Damit ist es Stadler gelungen, nach nicht einmal zwei Jahren nach Vertragsunterschrift bereits den ersten Zug auf die Schiene zu stellen. Roll-out des ersten Giruno ist im Frühjahr 2017. In den regulären Fahrplan wird er im Jahr 2019 aufgenommen.
Lösung mit Aeroexpress
Ein weiterer grosser Erfolg konnte im laufenden Jahr bereits erreicht werden. Stadler ist es gelungen, eine Lösung für den russischen Flughafen-Bahnbetreiber Aeroexpress zu finden. Dieser war aufgrund der Rubelschwäche in Zahlungsschwierigkeiten geraten und konnte die Finanzierung für die bestellten 24 Doppelstockzüge nicht mehr aufbringen. Stadler hat seinen Kunden unterstützt und gemeinsam mit der Schweizerischen Exportrisikoversicherung sowie den finanzierenden Banken eine massgeschneiderte Lösung für Aeroexpress ausgearbeitet.
75-Jahr-Jubiläum
Im kommenden Jahr feiert Stadler sein 75-Jahr-Jubiläum. Aus diesem Anlass werden im Mai 2017 an allen Standorten in der Schweiz die Türen geöffnet und die Bevölkerung eingeladen, mitzufeiern. Zeitgleich findet der Roll-out des ersten EC250 statt.