(03.08.2014)
„2013 war für uns ein außerordentlich anspruchsvolles Jahr. Da waren die zahlreichen Großveranstaltungen, die uns einen großen Teil der rund 1,3 Millionen zusätzliche Fahrgäste beschert haben. Zudem haben wir gleich mehrere Projekte umgesetzt, die mit vielen neuen Aufgaben verbunden waren. In wirtschaftlicher Hinsicht war 2013 ein schwieriges Jahr. Einerseits hat die KVG bei den Linienerlösen Rekordeinnahmen verzeichnet. Andererseits aber fiel das Ergebnis rund 1,7 Millionen Euro geringer aus als im Jahr zuvor. Wir sind also gefordert, unseren eingeleiteten Konsolidierungsprozess energisch fortzusetzen."
Mit diesen Worten charakterisierte Vorstandsvorsitzender Andreas Helbig das Geschäftsjahr 2013 der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft AG (KVG). Das Nahverkehrsunternehmen verzeichnete insgesamt rund 44,8 Millionen Fahrgäste oder etwa 1,3 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Dieser Rekordzuwachs um mehr als drei Prozent ging hauptsächlich auf das Konto der Großveranstaltungen, die in Kassel im vergangenen Jahr in Serie über die Bühne gegangen waren: allen voran der Hessentag im Juni mit mehr als 1,2 Millionen zusätzlichen Fahrten an diesen zehn Tagen sowie die Veranstaltungen zum 1100-jährigen Jubiläum der Stadt. Mit weiteren etwa 2,2 Millionen blieb die Zahl der Fahrgäste der Regionalbahn Kassel GmbH (RBK), an der die KVG mit 50 Prozent beteiligt ist, auf der Tramstrecke im Lossetal konstant. Im Branchen-Durchschnitt fuhren nach Angaben des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im Jahr 2013 bundesweit 0,8 Prozent mehr Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Mehr Fahrten in Bussen und Bahnen – daraus folgte für die KVG AG Rekord-Ticketeinnahmen von 45,5 Millionen Euro oder rund zwei Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Gerade Gelegenheitsfahrscheine wie das Multi-, das Kombi- und das GruppenTicket sorgen für einen Zuwachs von 4,5 Prozent. Bei der Netto-Betrachtung ergab sich jedoch folgendes Bild: Die Fahrscheinerlöse sanken mit 30,1 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr um etwa 200.000 Euro. Ursache dieser Brutto-Netto-Differenz war ein deutlich höherer Kassenausgleich aufgrund der noch offenen Einnahmeaufteilung für das Tarifgebiet KasselPlus mit dem NVV im Tram- und Bussektor.
In Summe erzielte die KVG mit Umsatzerlösen von 95,1 Millionen rund 200.000 Euro weniger als ein Jahr zuvor und erwirtschaftete ein Ergebnis von -16,8 Millionen Euro oder rund 1,7 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. „Wir hatten diesen Jahreswert prognostiziert und ihn auf den Punkt erreicht. Damit haben wir unsere Vereinbarung mit der Stadt Kassel erfüllt", lautete das Fazit von Andreas Helbig. Durch die im Konsolidierungsvertrag vereinbarte Zahlung des Substanzerhaltungsbeitrages von 21,8 Millionen Euro im Jahr 2013,
der Infrastrukturkostenhilfe über 4,5 Millionen Euro und der Übernahme von Pensionsverpflichtungen in Höhe von 6,9 Millionen Euro trägt die Stadt mit insgesamt 33,2 Millionen Euro erheblich zur Finanzierung des ÖPNV in Kassel bei.
Insgesamt investierte die KVG 2013 knapp 19,7 Millionen Euro und mit neun Millionen Euro deutlich weniger als im Vorjahr. Mit 3,5 Millionen den größten Anteil hatte der restliche Kaufpreis für die 22 neuen Bahnen als Ersatz für die mehr als 30 Jahre alten Hochflurfahrzeuge. „Trotz der eindeutigen Nachweise der betrieblichen und wirtschaftlichen Notwendigkeit dieser Ersatzinvestition erhalten wir, ebenso wie die meisten anderen ÖPNV-Unternehmen, keinerlei öffentliche Zuschüsse für den Neukauf von Fahrzeugen. Mehr und mehr Unternehmen müssen ihre in die Jahre gekommenen Bestandsfahrzeuge ersetzen oder neue kaufen, weil gerade in Ballungsräumen die Fahrgastzahlen steigen. Vor allem auch angesichts der Notwendigkeit des Klimaschutzes und der demographischen Entwicklung ist die Weigerung der Politik, den öffentlichen Nahverkehr mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten, vollkommen kontraproduktiv", kritisierte Helbig.
Weitere etwa 2,8 Millionen Euro kostete die Gleiskörperverbreiterung in der Holländischen Straße für den Betrieb mit RegioTrams zur Umsetzung des NVV-Zielkonzeptes. Ausgaben von 1,7 Millionen Euro als erster Teilbetrag für die grundlegende Sanierung von 15 der
25 Bahnen der ersten Niederflurgeneration (6ENGTW) bildeten den dritten Investitionsschwerpunkt. Für das so genannte Retrofit dieser Bahnen, das 2018/2019 abgeschlossen sein soll, sind einschließlich Eigenleistungen insgesamt rund 15 Millionen Euro veranschlagt. Auch diese Investition muss die KVG vollständig selbst finanzieren.
„Neben den erwähnten Faktoren werden im laufenden Jahr steigende Energiekosten und die jüngsten Tarifabschlüsse wesentliche Gründe für unsere steigenden Ausgaben sein", erläuterte Helbig weiter, der den für 2014 prognostizierten Zuschussbedarf auf rund -17 Millionen Euro bezifferte. Beispielsweise führten die Tarifabschlüsse allein in den ersten zehn Monaten zu etwa 1,1 Millionen Euro höheren Personalkosten bei KVG und KVN (KVV Verkehrsgesellschaft Nordhessen GmbH). „Wir setzen unseren 2012 eingeleiteten Konsolidierungskurs fort", kündigte Helbig vor diesem Hintergrund an. Ziel sei, den Zuschussbedarf ab dem kommenden Jahr wieder auf -15,5 Millionen Euro zu senken.
Das Konsolidierungsprojekt mit dem Titel „mobil4kassel – KVG 2020" umfasst einen großen Strauß externer und interner Instrumente, von denen einige bereits umgesetzt wurden. Der effizientere Einsatz der vorhandenen Ressourcen, um Ausgaben zu senken, sowie Maßnahmen, um höhere Einnahmen zu erzielen, stehen dabei im Mittelpunkt.
Die externen Instrumente beziehen sich vor allem auf Änderungen im Linienverkehr, zudem berücksichtigen sie das Tarifsystem, die Ticketpreise, den Vertrieb oder etwa Verkehrsverträge mit Umlandgemeinden. Intern konzentriert sich das Projekt unter anderem auf effektivere Prozesse und Abläufe im gesamten Unternehmen durch zum Beispiel neue Strategien zur Instandhaltung der Fahrzeuge, neue Betriebskonzepte wie etwa bei den Fahrten der Tramlinie 1 mit Doppeltraktionen und das Zurückholen von Fremdvergaben.
Rückblick auf einige markante Ereignisse der KVG 2013 und Vorschau 2014:
Der Hessentag als Megaevent
Zu den herausragenden Ereignissen der KVG im vorigen Jahr zählte der Hessentag im Juni. Mehr als 1,2 Millionen zusätzliche Fahrgäste oder doppelt so viele wie sonst an jedem anderen Tag: Das zehntägige Landesfest sprengte für die KVG alle bisherigen Dimensionen. Am Ende der zehn Tage stand fest: Das ÖPNV-Konzept war gelungen. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg war dabei auch die besondere Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter: „Die Solidarität untereinander war enorm", schilderte Helbig rückblickend. „Sobald sich ein Engpass abzeichnete, verlängerten Mitarbeiter ihre Dienste oder verzichteten auf freie Tage, um ihre Kollegen zu unterstützen. Ohne dieses unglaubliche Engagement jedes Einzelnen hätten wir diesen Megaevent kaum so gut gemeistert. Auf jeden Fall haben wir durch den Hessentag unsere Feuertaufe für künftige Großveranstaltungen in Kassel bestanden."
Doppelt fährt besser: Gekuppelte Trams auf der Linie 1
Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2013 fährt die KVG mit Doppeltraktionen auf der Linie 1 zwischen dem Bergpark Wilhelmshöhe und der Endhaltestelle Vellmar-Nord. Ausschlaggebend für dieses neue Betriebskonzept waren stark gestiegene Fahrgastzahlen vor allem in der Wilhelmshöher Allee und der Holländischen Straße. In Anbetracht vor allem der Ernennung des Bergparks zum Weltkulturerbe und des Ausbaus des Campus Nord der Universität Kassel waren weiter wachsende Fahrgastzahlen absehbar. In der Konsequenz mussten auf der Tramlinie 1 mehr Beförderungskapazitäten geschaffen werden, jedoch ohne die Betriebskosten in die Höhe schnellen zu lassen. Die Lösung lag in Doppeltraktionen: In zwei hintereinander gekuppelten Bahnen können mit einer Fahrt doppelt so viele Fahrgäste reisen. Für die 60 m langen Züge wurden insgesamt acht Haltestellen verlängert.
Weitere Kapazitätszuwächse wurden durch RegioTrams in der Holländischen Straße erreicht. Seit Dezember 2013 fahren die RT3 und RT4 im überlagerten 15 Minuten-Takt vom Hauptbahnhof Kassel bis zur Wendeschleife „Holländische Straße".
Die letzte der „Jüngsten"
Am 18. Juli 2013 rollte die letzte der jüngsten Bahnen in den KVG-Betriebshof Wilhelmshöhe ein. Damit hatte der Auslieferung der insgesamt 22 neuen Niederflurtrams vom Typ Flexity Classic seit November 2011 ihren Abschluss gefunden. Die neuen Bahnen bieten nicht nur mehr Platz und durch ihre Niederflurigkeit sowie ihre Klimatisierung mehr Komfort für Fahrgäste. Sie erlauben der KVG auch mehr betriebliche Flexibilität u.a. durch ihre Einsatzbarkeit auf den EBO-Strecken nach Baunatal und durch das Lossetal und sind durchweg traktionsfähig.
Retrofit für die erste Niederflurgeneration und Beiwagen-Revival
Neu gegen Alt ist nicht der einzige Umbruch, der sich im KVG-Schienenfahrzeugpark vollzog. Im Jahr 2013 begann die grundlegende Sanierung von 15 der 25 6ENGTW. Die Arbeiten, die weitgehend in Eigenleistung erfolgen, sollen 2018/19 abgeschlossen sein. Diese Investition von rund einer Million Euro pro Fahrzeug wird der KVG erlauben, diese Bahnen viele Jahre weiter zu betreiben. Die Neubeschaffung von 15 Straßenbahnen würde nach heutigen Marktpreisen mit etwa 45 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Im November 2013 traf ein Straßenbahn-Beiwagen aus Rostock in Kassel ein und wird seitdem technisch umgerüstet. Neun weitere Beiwagen hat die KVG bei der Rostocker Straßenbahn AG (RSA) beschafft. Der Kaufpreis für die insgesamt zehn Wagen von rund 300.000 Euro entspräche dem Kaufpreis eines neuen Schubgelenkbusses oder einem Zehntel einer neuen Straßenbahn. Ein Beiwagen bietet etwa für 60 Fahrgäste Platz.
FREE mit dem ersten E-Mobilpunkt
Elektroauto, Pedelec, Bus oder Bahn? Wie Gäste des Hotels Gude auch ohne eigenen Pkw umweltfreundlich mobil sein möchten, können sie seit Oktober 2013 selbst entscheiden. Die KVG eröffnete hier, finanziell gefördert im Rahmen des Forschungsprojektes FREE (Freizeit- und Eventverkehre mit intermodal buchbaren Elektrofahrzeugen), ihren ersten E-Mobilpunkt. Seitdem stehen den Hotelgästen im direkten Umfeld einer Tram-Haltestelle zwei Elektroautos und eine Ladesäule zur Verfügung. Gebucht werden können die E-Fahrzeuge an der Rezeption oder von den Reisenden selbst im Internet bei den Carsharing-Anbietern einfach mobil oder Flinkster, im Hotel sind auch ÖPNV-Tickets erhältlich. Im Juli 2014 eröffneten am Schlosshotel und am Hotel Schweizer Hof in Kassel und im August 2014 in der Stadt Melsungen drei weitere E-Mobilpunkte.
Seit Februar dieses Jahres sind darüber hinaus die derzeit mehr als 110 nordhessischen Ladepunkte der Städtische Werke AG und der E.ON Mitte AG (jetzt EAM) mit einer gemeinsamen RFID-Karte nutzbar. Die Harmonisierung der Ladeinfrastruktur wurde hier bundesweit erstmals von zwei unmittelbar im Wettbewerb stehenden Unternehmen für die Nutzer von E-Fahrzeugen realisiert. Weitere 120 Ladepunkte sollen in Nordhessen während der Laufzeit des Projektes FREE bis September 2015 eröffnet werden.
Die Tests des Elektrobusses der KVG, die während des Hessentages 2013 ebenfalls im Rahmen des Projektes FREE begannen, werden im aktuellen Jahr fortgesetzt.
RTG mbH: Das Ende der Juniorpartnerschaft im RegioTram-Betrieb
Mit der Gründung der RegioTram-Gesellschaft mbH (RTG) gemeinsam mit HLB GmbH schlug die KVG im März 2013 ein neues Kapitel auf: Erstmals ist sie gleichberechtigt verantwortlich für den Betrieb der RegioTrams auf ihren vier Linien auch im Netz der Deutschen Bahn. Im Dezember übernahm die KVG darüber hinaus von der DB die Werkstattleistungen für alle 28 RegioTram-Züge.
Die RTG beschäftigt rund 100 Mitarbeiter, darunter 75 Triebfahrzeugführer und
25 Zugbegleiter und kauft eine Reihe von Dienstleistungen von ihren Muttergesellschaften ein. So bezieht sie zum Beispiel von der KVV GmbH die Personalbetreuung und von der KVG die Personaldisposition sowie die Betriebsplanung und die Verkehrssteuerung. Der Betriebsstart auf den vier RegioTram-Linien zwischen Kassel und Endpunkten in der Region erfolgte zum Fahrplanwechsel im Dezember 2013 zeitgleich mit der Umsetzung des NVV-Zielkonzeptes.
KVG sichert alle Linienkonzessionen
Im Jahr 2012 erteilt das Regierungspräsidium Kassel der KVG die Genehmigung für die Straßenbahnkonzessionen bis Dezember 2024 für alle ihre innerstädtischen Tramlinien sowie für die nach Vellmar und Baunatal. Im Folgejahr erhielt die RTG, an der die KVG mit 50 Prozent beteiligt ist, den Zuschlag für den RegioTram-Betrieb. Im aktuellen Jahr schließlich folgten die erneuten Konzessionen für die bisherigen innerstädtischen Buslinien und zwei neue bis November 2019, die Gesamtzahl der KVG-Buslinien stieg auf 19 in der Stadt Kassel. Damit ist es der KVG gelungen, alle Verkehre langfristig zu sichern. „Die Konzessionen für unsere Verkehre bedeuten zweierlei", erläuterte Andreas Helbig. „Zum einen, dass der öffentliche Nahverkehr durch ein sehr erfahrenes ÖPNV-Unternehmen geleistet wird, und er bedeutet Arbeitsplatzsicherheit für unser Unternehmen."
Weichen stellen für den künftigen ÖPNV
Kassel hat sich in den vergangenen 20 Jahren außerordentlich positiv verändert: Neue Wohn- und Gewerbegebiete sind entstanden, die Universität Kassel erweitert ihre Studierendenzahlen stetig, mehr und mehr Touristen entdecken die Schönheiten der Region,
die Stadt bietet einer Vielzahl von Kongressen und Großveranstaltungen die passende Bühne und im Sommer 2013 ernannte die UNESCO den Bergpark Wilhelmshöhe zum Weltkulturerbe. Diese zahlreichen und weitere Faktoren waren für die KVG der Auslöser, ihr
Verkehrsangebot gründlich zu prüfen. Eine wesentliche Grundlage dafür waren die umfangreichen Daten, die für die Fortschreibung des Nahverkehrsplanes (NVP) ermittelt und ausgewertet werden mussten.
Der NVP ist seit Juni 2014 von den Kasseler Stadtverordneten beschlossen und definiert die strategischen Ziele des ÖPNV bis zum Jahr 2018. „Er ist sowohl Grundlage der Linienkonzessionierung als auch Voraussetzung für Zuschüsse des Landes Hessen für Infrastrukturprojekte. Das Liniennetz und die Infrastruktur müssen somit dem Rahmen des NVP entsprechen. Was davon konkret umgesetzt wird, wann und wie die Details aussehen, ist jedoch in diesem Plan nicht festgelegt, sondern wird von Fall zu Fall geprüft und mit der Stadt abgestimmt", erläuterte Andreas Helbig zur Bedeutung.
Die Personalentwicklung
Seit 2004 ist die KVG Bestellerin von Verkehrsdienstleistungen. Das bei ihr beschäftigte Fahrpersonal stellte sie der NB GmbH und der KVN GmbH, einer 100-prozentigen Tochter des KVV-Konzerns, zu marktüblichen Preisen zur Verfügung. Zum Jahresende 2013 waren bei der KVG und der KVN insgesamt 817 Mitarbeiter beschäftigt, darunter 416 im Fahrdienst (2012: 414). Im Jahresmittel 2013 befanden sich 29 junge Menschen bei der KVG in Ausbildung.