(30.08.2013)
Nach dem Unfall in Granges-Marnand vom 29. Juli 2013 hat die SBB umfangreiche Untersuchungen eingeleitet, Sofortmassnahmen ergriffen und Überprüfungen von weiteren Massnahmen lanciert. Sicherheit ist ein zentrales Konzernziel und hat oberste Priorität. Als Sofortmassnahme wird in Granges-Marnand und sechs weiteren Bahnhöfen die Abfahrerlaubnis durch den Fahrdienstleiter wieder eingeführt. Zudem verstärkt die SBB bestehende interne Qualitätszirkel, die neu auch Mitarbeitende wie Lokführer, Zugbegleiter und Fahrdienstleiter miteinschliessen. Weitere mittel- und langfristige Massnahmen wie etwa die beschleunigte Ausrüstung von 1700 Signalen mit einer Geschwindigkeitsüberwachung oder die Überprüfung des Abfahrprozesses sind in Prüfung. An einer Medienkonferenz informierten CEO Andreas Meyer sowie Jeannine Pilloud, Leiterin Personenverkehr, und Philippe Gauderon, Leiter Infrastruktur, zudem über weitere Massnahmen im Interesse der Bahnsicherheit.
„Bahnfahren in der Schweiz ist sicher – und wird immer sicherer", hielt Andreas Meyer, CEO der SBB AG fest. Tatsächlich ist die Anzahl Zwischenfälle auf dem Schweizer Schienennetz in den letzten Jahren zurückgegangen. „Selbstverständlich analysieren wir jeden Fehler und jeden Unfall systematisch. Das gilt erst recht für einen Unfall wie in Granges-Marnand. Bei neuen Erkenntnissen ergreifen wir die notwendigen Massnahmen." Nach der Kollision zweier Regionalzüge am 29. Juli im Waadtland hat die SBB deshalb vertiefte Untersuchungen eingeleitet und eine Arbeitsgruppe „Bahnsicherheit nach Granges-Marnand" eingesetzt. Mit berücksichtigt wurden auch der Erstbericht der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (SUST) sowie Erkenntnisse aus Gesprächen mit den Sozialpartnern. Diese Untersuchungen werden in den nächsten Monaten weitergehen. Bereits Ende 2011 hatte die SBB entschieden, für 50 Mio. CHF weitere 1700 Signale bis 2020 mit einer Geschwindigkeitsüberwachung auszurüsten. Nach dem Unfall in Neuhausen von Anfang Jahr wurde dieses Zusatzprogramm beschleunigt, so dass es bereits Ende 2018 umgesetzt wird. Eine zusätzliche Beschleunigung dieses Programms wird zurzeit geprüft. Weitere Massnahmen, die zurzeit evaluiert werden, sind: Überprüfung des Abfahrprozesses, Überprüfung der Folgestrategie nach Abschluss des 1700-Programms sowie ein Gesamtkonzept für die Entwicklung der Broye-Linien.
Vier-Augen-Prinzip auf ausgewählten Bahnhöfen
Als Sofortmassnahme hat die SBB entschieden, auf den Bahnhöfen Granges-Marnand, Cugy, Estavayer, Yvonand, Court, Porrentruy und Zweidlen das sogenannte Vier-Augen-Prinzip wieder einzuführen. In diesen Bahnhöfen war der Fahrdienstleiter bisher nur für die Bedienung des Stellwerks verantwortlich. Ab 1. Oktober muss der Fahrdienstleiter auch aktiv dem Lokführer die Abfahrerlaubnis signalisieren. Zudem macht die SBB einen weiteren Schritt in ihrer Sicherheitskultur, indem bestehende Qualitätszirkel erweitert werden. Diese internen Plattformen sind bereichsübergreifend und schliessen künftig noch konsequenter Mitarbeitende wie Lokführer, Zugbegleiter und Fahrdienstleiter ein. Ziel ist es, Sicherheits- und andere qualitative Fragen unter Einbezug von Mitarbeitenden regelmässig und vertieft zu behandeln und in die Sicherheitsstrategie der SBB einzubeziehen.
Ausgeprägte Sicherheitskultur
Zentral im System der Bahnsicherheit sind die Lokführerinnen und Lokführer. „Ihre Einschätzungen nehmen wir deshalb sehr ernst", unterstrich Jeannine Pilloud, Leiterin der Division Personenverkehr. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Hinweise, welche die Mitarbeitenden über das vertrauliche Meldewesen der SBB einreichen können. Wir legen Wert auf eine ausgeprägte und gut funktionierende Sicherheits-, Melde- und Lernkultur, gerade bei den Lokführerinnen und Lokführern," so Jeannine Pilloud. Zudem bereitet das neue Ausbildungskonzept mit einem stärkeren Fokus auf die Praxis die Anwärterinnen und Anwärter optimal auf die anspruchsvolle Aufgabe im Führerstand vor. Die Anzahl der Signalfälle pro Million Kilometer ist denn auch in den letzten Jahren zurückgegangen. Dies bei einer gleichzeitigen Zunahme der Zufriedenheit bei den Lokführerinnen und Lokführern.
Zugsicherung: ETCS-Technologie in Umsetzung
Bei der SBB sind verschiedene Zugsicherungssysteme im Einsatz, die historisch gewachsen sind und unterschiedliche Funktionalitäten haben. Dabei handelt es sich um die Funktionalität Halt/Warnung (SIGNUM), abschnittsweise Geschwindigkeitsüberwachung (ZUB) und kontinuierliche Geschwindigkeitsüberwachung (ETCS-Level 2). Die Ausrüstung mit einer abschnittsweisen Geschwindigkeitsüberwachung (ZUB) erfolgte seit 1993 nach einer risikoorientierten Methode und umfasste Ende 2012 über 3200 Signale. Mittlerweile sind die Systeme SIGNUM und ZUB am Ende ihrer Lebensdauer angelangt. Deshalb werden diese seit 2011 durch ETCS-Komponenten ersetzt, was aber einen reinen Technologieersatz darstellt und keine zusätzliche Funktionalität wie eine Geschwindigkeitsüberwachung beinhaltet. Der Ersatz von Signum ist Teil unserer mittelfristigen Planung im Rahmen des Lifecycle Managements", erklärte Philippe Gauderon, Leiter SBB Infrastruktur. "Damit können wir das bereits hohe Niveau der Sicherheit halten. Weitere Massnahmen werden nötig sein, damit die künftige Belastung des Netzes durch die steigende Nachfrage und Mobilität im Gleichgewicht mit unseren hohen Sicherheitsanforderungen schritthalten kann." Gemäss heutiger Planung wird diese netzweite Umrüstung bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Gleichzeitig zu diesem Technologieersatz wird das Ende 2011 beschlossene Programm zur forcierten Ausrüstung weiterer 1700 Punkte mit einer Geschwindigkeitsüberwachung realisiert, was eine Verminderung des Risikos um den Faktor 2 ermöglicht. Der Abschluss dieser funktionalen Erweiterung war ursprünglich bis Ende 2020 geplant, wird nach überarbeiteter Planung nun aber bereits Ende 2018 abgeschlossen sein. Zurzeit wird geprüft, ob dieses Programm noch weiter beschleunigt werden kann.
Grundlagen für die Zugsicherung der Zukunft schaffen
Der Verkehr auf dem Schweizer Schienennetz wird weiter wachsen. „Daher ist es für die SBB wichtig, bereits heute die die Pläne für die Zugsicherung der Zukunft anzupacken," unterstrich Andreas Meyer. Basis für den Einsatz von ETCS Level 2 ist der zurzeit laufende Technologieersatz mit ETSC-Komponenten, der es den Fahrzeugen ermöglichen wird, ab 2017 nur noch mit einem System zu verkehren.
Die heutige Strategie der SBB sieht vor, ETCS Level 2 ab 2025 beim normalen Stellwerkersatz einzuführen. Zurzeit prüft die SBB, ob die Einführung ETCS Level 2 beschleunigt werden soll. Dies würde jedoch bei einem flächendeckenden Einsatz den Ersatz aller älterer Stellwerke bedingen und somit Investitionen von rund 2 Mia. CHF erfordern.