(24.05.2012)
Das diesjährige Computer Science and Transport Symposium am 10. Mai 2012 in Kiel startete mit einer Überraschung: Carsten Ahrens, Technik Vorstand der Funkwerk AG begrüßte die Anwesenden und gab gleichzeitig seinen Wechsel in die Geschäftsführung der Funkwerk Information Technologies GmbH (Funkwerk IT) bekannt. Nach über 25 Jahren verlässt der bisherige Geschäftsführer Reinhold Hundt das Unternehmen. Ahrens dankte Hundt für seinen beruflichen Einsatz und vor allem für sein Engagement um das Computer Science and Transport Symposium, das mit knapp 75 Gästen einen neuen Teilnehmerrekord verzeichnete und sich damit nachhaltig in der Szene etabliert hat.
Hundt hatte gemeinsam mit Professor Dr. Norbert Luttenberger vom Institut für Informatik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) vor vier Jahren das Computer Science and Transport Symposium ins Leben gerufen. Seit 2009 ist das Clustermanagement Digitale Wirtschaft Schleswig-Holstein (DiWiSH) Mitveranstalter des Netzwerktreffens von Wissenschaft, Bahnindustrie und IT-Wirtschaft.
Zukunftsszenarien für die Eisenbahn
Wie sieht der Eisenbahnverkehr der Zukunft aus? Diese Frage zog sich wie ein roter Faden durch das Vortragsprogramm. Den Start bildeten die Dänen Michael Svane, Direktor des Dänischen Industrieverbandes für Transport, und Christian Algreen-Ussing von Alstom Transport. Mit 3,2 Milliarden Euro hat das Nachbarland das größte Bahn-Investitionsprogramm in der europäischen Geschichte aufgelegt. Bis zum Jahr 2021 sollen alle Dänische Bahnsignalanlagen ausgetauscht werden. Größtes Risiko des Großprojektes: die Kommunikation und der Einbezug aller Stakeholders, so Algreen-Ussing. Das Gesamtvorhaben ist aufgeteilt in viele Arbeitspakete, an denen Wettbewerber tätig sind. „Wenn ein Wettbewerber nicht ‚in time' ist, kann der Auftrag an den Konkurrenten vergeben werden", schilderte Algreen-Ussing die konsequente, dänische Projektkultur. Interessiert zeigten sich die Dänen aber auch von den Ideen des „Verkehrsoptimierers" Karsten McFarland, PTV AG, der dazu aufrief „über den Tellerrand hinaus zu blicken und Verkehr als Gesamtkunstwerk zu begreifen". Nicht der Ausbau der Infrastruktur sei allein die Lösung, sondern die intelligente Erhebung und Nutzung von Daten zur exakten Abstimmung von Angebot und Nachfrage. So werden in Pilotprojekten in Wien und Berlin Echtzeitdaten erhoben und für Verkehrsteilnehmer der optimale Weg errechnet – ob mit eigenem PKW, Bus oder Straßenbahn.
Decision Support Systeme für die Bahn
Getreu dem Leitgedanken des Computer Science and Transport Symposiums neuste Erkenntnisse der Forschung auf ihren Nutzen für das Transportwesen zu diskutieren, stellte Professor Dr. Albrecht Irle vom Mathematischen Seminar der CAU, Modelle und Verfahren der Mustererkennung vor, die als teilautomatisierte Entscheidungsassistenz bei der Planung im aktuellen Fahrbetrieb, z.B. bei Abweichung im Fahrplan, unterstützen können. Den Schwenk von der Wissenschaft hin zur praktischen Anwendung vollzog anschließend Bernd Butz, BVU Beratergruppe Verkehr + Umwelt GmbH, mit seinem Vortrag „Automatische Konflikterkennung und teilautomatisierte Konfliktlösung für die Zugdisposition in Echtzeit". Hier werde man von der Realität spätestens eingeholt, wenn es um die Datengüte gehe, so Butz. Im Prinzip aber sei es möglich, Konflikte und mögliche Folgekonflikte bis ca. 30 Minuten in die Zukunft zu berechnen.
Lernen von der Automobilindustrie und der Usability-Forschung
Das Computer Science and Transport Symposium hat zum Ziel aktuelle Trends aufzudecken und zu diskutieren. Dazu gehört auch der Blick in andere Domänen und Fachbereiche. So zeigten Klaus-Jürgen Girke, DB Netz AG, und Dr. Alexander Scherdin, Senacor Technologies AG, wie sie die komplexe IT-Welt der DB Netz AG gemäß dem Ansatz aus der Automobilindustrie komponenten- und plattformbasiert – mit dem sogenannten IT-Baukasten der DB Netz AG – neu strukturierten. Welchen Nutzen eine Usability Studie für den Arbeitsplatz in Eisenbahnleitstellen haben kann, zeigte Thomas Böhm, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. „Es wird zu oft vernachlässigt, dass hinter dem Bildschirm ein Mensch sitzt", so Böhm. Dabei lasse sich mit einer Usability Evaluation nicht nur die Zufriedenheit des Mitarbeiters erhöhen, sondern durch beispielsweise weniger Schulungsaufwand und kürzere Einarbeitungszeiten auch effektiv Kosten einsparen.
Fortsetzung des Symposiums in Aussicht gestellt
„Die Antwort auf die Eingangsfrage, wie der Eisenbahnverkehr der Zukunft aussehe, ist klar geworden", resümierte Ahrens. „Ob in der Planung oder besseren Auslastung der Verkehrssysteme, ‚decision support' scheint der Trend der Zeit und ein Modell für die Eisenbahn zu sein." Er sei gespannt, welche neuen Erkenntnisse das nächste Computer Science and Transport Symposium hervorbringe.