(28.11.2011)
Bis vor kurzem dominierten in den Medien die Megathemen steil wachsender Personen- und schwächelnder Güterverkehr. Nun rücken immer mehr die Probleme um die Infrastruktur in den Vordergrund. Jetzt legt gar ein Buch den Fokus auf diese buchstäblich grundwichtige Sache.
Ohne Grund, also ohne Schotter, Schienen, Weichen, Signale, Fahrleitungen, Stromversorgung würde kein Zug auch nur einen Meter vorankommen. Das leuchtet ein, ging aber im Schatten der Glanzlichter über all die schnittigen neuen Züge unter.
Doch jetzt erstrahlt gleichsam jeder Schotterstein im gleissenden Licht, mit dem Sepp Moser die gesamte Infrastruktur beleuchtet. Genauer: Der aus der Flugbranche bekannte Publizist legt mit genaustens recherchierten Zahlen und Fakten den permanent steigenden Rückstand im Unterhalt des Bahnnetzes offen. Symbolisch dafür das Titelbild seines neusten Buches mit dem knappestmöglichen Titel „Warnsignal", das den Voralpenexpress neben dem Vorsignal Langsamfahrstelle 5 (Maximalgeschwindigkeit 50 km/h) zeigt.
„Prozesse hinterfragen ohne Denkverbote"
Moser bekannte sich an der Buchvernissage, die jüngst im Bahntechnikcenter Hägendorf (BTC) der SBB stattfand – Transfer der Gäste aus SBB, Privatbahnen, Bahntechnologiebranche, Medien und Politik mit dem Fahrleitungsmesswagen und dem Diagnosefahrzeug der SBB – zu seinem Engagement für eine rasche Trendumkehr: „Wir müssen den Mut haben, auch die bestehenden Strukturen und Prozesse zu hinterfragen, und dies ohne Denkverbote." Dies nicht nur bezüglich einer massiven Steigerung der Investitionen in den Unterhalt, sondern auch einer Reorganisation der Organisations- und Entscheidungsstrukturen im Dreieck SBB-Institutionen-Politik. Der Autor belegt seine Thesen im Buch anhand umfassender und intensiver Recherchen bei SBB und in deren Umfeld.
So könnte man vermuten, dass Sepp Moser, der seinerzeit mit der Swissair sehr hart ins Gericht ging, nun zu einem Rundumschlag gegen Manager und Verantwortliche ausholt. Im Gegenteil: Er urteilt sehr differenziert, etwa wenn er das Verhältnis zwischen Bahnen und Lieferanten beleuchtet: Früher protektionistisch und kollegial, aber marktwirtschaftsfeindlich, heute hart, sachlich, konkurrenzoffen. Die Kehrseite dieser Medaille sei, „dass ‚weiche' Faktoren wie Vertrauen, Experimentierfreude oder Hilfsbereitschaft in dem neuen System keinen Platz finden."
Im ersten Teil des Buches beschreibt Moser leicht verständlich Technik und Funktionsweise aller Elemente der Bahninfrastruktur, z.B. wie die Lage der Gleise dank Hightech-Maschinen millimetergenau neu justiert wird. Ein ausführliches Glossar wertet das Buch zu einem Nachschlagewerk auf, das in Büros dieser Branchen und in den Büchergestellen von Bahnfans einen zentralen Platz verdient. Auch in den Teilen, wo es um bitter ernste Themen der Bahnpolitik und um Vorschläge für Alternativen geht, ist das Werk durchgehend spannend zu lesen.
Sepp Moser: Warnsignal – Schweizer Bahnnetz in Gefahr. 2011 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel, 156 Seiten, reich illustriert Preis Fr. 48.--
ISBN 978-3-7245-1767-2